Als vor einigen Monaten im Lichte der Oper „Aida“ beiläufig die Rede vom brodelnden Verdi-Vulkan war, war der spontan geprägte Begriff natürlich auf die feurige Opernmusik bezogen. Damals wusste ich nicht, dass außer Pizzerien namens Vesuv oder Vesuvio Vulkane auch diverse Verpackungen schmücken. Wer machte mich schlauer? Ein im Vogtland beheimateter Händler namens „Dal Siciliano“, der in Zwickau-Planitz einen kleinen Laden betreibt, in dem man Waren aus Sizilien kaufen kann. Im Geschäft blieb mir kurz vor Toresschluss beim Einkaufen gar keine Zeit, länger auf Verpackungen zu schauen. Klare Devise: Italienisches Teegebäck – das muss noch mit in den Warenkorb.
Am Ostersonntag riss ich endlich die Verpackung auf und erblickte eine schmenhafte Abbildung des Ätna, der das Markenzeichen des Betriebs mit klangvollen Namen – I Pasticcieri dell‘ Etna – ist. Ohne den Geschmack jener voglie di thé mit Nuss (alla nocciola) vorher zu kennen, hatte ich zumindest eine äußerst knusprige Konsistenz erwartet. Und: Die dünnen Gebäckstücke schmeckten besser als gedacht, dezent nussig-schokoladig. Während die Madeleine als Gebäckstück in Marcels Prousts Epochen-Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit einen ganzen Erinnerungskosmos eröffnet, empfand ich bei den „Teegelüsten“, wenn ich den italienischen Gebäcknamen frei übersetze, einfach einen Moment des Genusses, ohne dass eine Flut von Erinnerungen mich überwältigt hätte. Das wäre auch zu viel verlangt gewesen. Rein aus Neugier schaute ich nach ein paar knusprigen Gepäckstücken intus auf die Verpackung und begann angesichts der englischen und deutschen Übersetzung zu schmunzeln.
Darin wird eine merkwürdige Freiheit offenbar: Im EU-Raum wird sicher vieles geprüft und sondiert, bevor eine Verpackung voller „Teegelüste“ die Reise von Sizilien nach Westsachsen antreten darf. Doch der Kontrolle entschwindet der sprachliche Übersetzungsprozess, der vermint erscheint. Dass die Groß- und Kleinschreibung im Deutschen Probleme bereitet, lässt sich noch leicht übergehen. Doch im Englischen fällt etwas stärker auf: „May contain traces of nuts in shell. May contain traces of other nuts.” Merkwürdig formuliert und merkwürdig im Zusammenhang mit jener verzehrten „Backware“. Laut Zutatenliste gibt es doch einen Nussanteil von 25%, so dass mehr als nur „Spuren“ vorhanden sein müssen. Für Nussallergiker also nicht zu empfehlen! Zum Glück hilft hier ein Blick auf den deutschsprachigen Warnhinweis: „Kann Spuren von Schalenfrüchten enthalten. Kann Spuren von Trockenfrüchte(n) enthalten.“ Wenn tatsächlich die englische Sprache keine Termini von Schalen-früchten und Trockenfrüchten vorsieht, wäre sie buchstäblich arm dran. Doch dem ist ja nicht so. Ich frage mich, wie es passieren kann, dass Trockenfrüchte salopp als „andere Nüsse“ bezeichnet werden. Das Konzept der Andersheit oder „Otherness“ hat einen gewissen Charme, doch hier hat es keine Chance, denn Nüsse sind Schalenfrüchte und keine Trockenfrüchte. Also können Trockenfrüchte keine anderen bzw. andersgearteten Nüsse sein! Nüsse sind ja allein schon dank der Schale trocken(gelegt), während Dörrobst wie zum Beispiel Aprikosen und Trauben erst einmal trocknen müssen…Dafür braucht man keine ernährungswissenschaftliche Expertise einzuholen! Schließlich ist die Kategorie „Backware“ eine eher billige klingende Kategorie, die mit „prodotto del forno“ natürlich angemessen übersetzt ist, doch für einen deutschsprachigen Leser mehr als redundant erscheint.
Hauptsache, es hat geschmeckt. Die Verpackung hielt dicht, der Backofen blieb aus. Also ein nussiger Genuss, den man in höchsten Tönen loben kann!
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