Der Notiz-Blog, der sich gewaschen hat

Kategorie: AufgeSchnappt. Seite 1 von 4

Episoden querbeet aus dem Leben, unvorhersehbar, meist einzigartig, da sie sich in dieser Weise in ihrer Originalität nur einmal genauso darbieten.

Parkplatz mit Blütenpracht – Eine Alltagsbeobachtung

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Im Mai diesen Jahres staunte ich viele Tage über die in der Stadt blühenden Rhododendren. Diese gewaltigen Büsche, die sich zu einem wahrhaftigen Blütenmeer verwandelten, verzauberten den urbanen Raum, weil sie sich so geschickt an und zwischen bebaute Flächen ansiedeln (lassen). Natürlich ist das Verb ansiedeln unpassend; „anpflanzen“ wäre korrekt. Doch ein Foto aus unmittelbarer Nachbarschaft zeigt, wie sehr ein Busch einen Parkplatz in Beschlag nehmen kann:

Zahnarztparkplatz
Ein prächtiger Parkplatz für Zahnarztpatienten in Chemnitz-Reichenbrand, aufgenommen im Mai 2024

Viel ist über Aura kulturphilosophisch gesprochen worden. ChatGPT berichtet mir folgendes unter „literarisch-ästhetischer Kontext“:

Der deutsche Philosoph Walter Benjamin prägte den Begriff Aura in seiner ästhetischen Theorie und bezeichnete damit die einzigartige Ausstrahlung oder den besonderen Charme eines Kunstwerks oder einer Person. (…) Die Aura ist also eine Art magische Qualität, die schwer zu greifen, aber spürbar ist und ein Kunstwerk oder eine Person besonders macht.

Für mich hat jener banale Parkplatz, bei dem ich erst nach wiederholtem Nachdenken und Betrachten des Fotos zu dem Schluss komme, dass er für den Zahnarzt höchstpersönlich ist, da der Parkplatz nebenan, der eindeutige mit dem Schild „Zahnarztpraxis“ ausgewiesen ist, in erster Linie für Patienten dieser Zahnarzts bestimmt sein muss, etwas Auratisches während der Rhododendronblüte. Der farbenfrohe Dekor scheint sowohl dem Auto als auch den Zahnarztbesuch als Grund der Parkplatznutzung einen besonderen Charme zu verleihen. Möge der Charme auch nur wenige Sekunden spürbar sein, er lässt sich für mich als Betrachter, der eben diesen Parkplatz wohl nie nutzen wird, nicht leugnen.

Oft ist die Rede davon, dass man die Welt schöner machen solle. Ist dies hier nicht kraft der Natur der Fall? Ein Parkplatz, oft geschmäht wegen seines hohen Flächenverbrauchs, wird hier als solcher verschönert. Was der Mensch nicht vermag, besorgt die Natur.

Dass Parkplätze in Städten ein knappes Gut sind, versteht sich fast von selbst. Das sperrige Konzept der Parkraumbewirtschaftung wird vermehrt auch vor Verbrauchermärkten und Einkaufszentren umgesetzt. Auch in der Provinz wie zum Beispiel das Brückencenter in Hermsdorf-Bad Klosterlausnitz ist mir dies in diesem Herbst diesbezüglich aufgefallen. Spezielle Firmen, wie zum Beispiel die fair parken GmbH werden mit diesem Geschäft“ beauftragt.

Zu DDR-Zeiten gab es dieses Geschäft sicher nicht, weil Parkraum anders als die dort geparkten Fahrzeuge keine Mangel-Erscheinung war. So erscheint das Brettspiel Wir suchen einen Parkplatz, das in den 1960er Jahren vom VEB Spielewerk Karl-Marx-Stadt auf den Markt gebracht wurde, als Ausgeburt der realsozialistisch geprägten Fantasie realitätsentrückt.  Dieses Spiel entdeckte ich bei einem Besuch des Deutschen Spielemuseum Chemnitz.  Ich erfuhr in dieser kleinen Spiel-Oase, dass Gesellschaftsspiele (anders als die Spielzeug) in sozialistischen Zeiten kaum entwickelt wurde, zumindest, was das Gebiet der ehemaligen DDR betraf. Immerhin: Gewisse Ideen muss man nicht entwickeln; sie entstehen einfach in gewissen Köpfen des universellen homo ludens. Man merkt der Zielsetzung des Spiels an, dass sie die Parkplatzsuche des 21. Jahrhunderts vorwegnimmt. Man könnte auch sagen, dass die Mangelwirtschaft des Sozialismus unfreiwillig die Überfluss-Wirtschaft des Kapitalismus karikiert. 

An dem interessanten Parkplatzspiel können sich 4 Personen beteiligen. Jeder Spieler erhält 3 Autos, diese muss er auf einem Parkplatz unterbringen. Hat ein Spieler seine Autos auf einem beliebigen Parkplatz untergebracht, ist er Gewinner, und das Spiel ist zu Ende. Wer von den Spielern noch Autos im Spielfeld hat, zahlt für jedes nicht untergebrachte Auto die 5fache Parkplatzgebühr.

Dieses Würfelspiel ist gebraucht noch erhältlich. Wenn man bedenkt, dass man auch mit dem Vermieten von Parkflächen nicht wenig Geld verdienen kann, setzt es sozusagen alternative die Monopoly-Spielidee um. Wer auf die Zukunft einer attraktiven Umgebung spekuliert, kann hier ganz gut ähnlich wie bei Monopoly sein Geld anlegen. Ob ein größerer Parkplatz sozusagen ein Platzhalter für zukünftige Immobilien ist? In nicht wenigen Fällen ist dies der Fall. Doch eins ist klar: Ein Rhododendron fühlt sich an einem geeigneten Platz in einem Park am wohlsten. Solange der Standort in einem Park stimmt, kann auch ein naher Parkplatz der Blütenpracht nicht schaden!

Handfestes Übersetzen – Über eine Fahrt auf der Querseilfähre im Zschopautal

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„Hamburg oder Dresden?“ fragt mich deutlich der Fährmann, als er mich am gegenüberliegenden Ufer der Zschopau wahrnimmt. Ernst kann die Frage nicht gemeint sein, denn nach Dresden lässt sich beileibe auf der Zschopau nicht schippern, auch nicht stromaufwärts. Gen Hamburg ginge es mit ein wenig Phantasie schon, zumindest mit einem Kanu (wenngleich unklar ist, wie viele Meter man davon umtragen muss).

Auf einer knapp zweistündigen Wanderung vom Ausgangspunkt Sachsenburg (mit kurzer Besichtigung einer noch in Ausbauplänen steckenden Gedenkstätte, die auf dem Grund eines der ersten NS-Internierungslager liegt) steuere ich Anfang September zu Fuß die mir noch unbekannte Querseilfähre „Anna“ an, die mich auf das westliche Ufer bringen soll, nachdem ich mit dem Läuten einer Glocke auf meinen Transfer-Wunsch aufmerksam gemacht habe. Ich hatte mich extra telefonisch vorher erkundigt: bis 17 Uhr würde sie in Betrieb sein; in der benachbarten Gaststätte „Wasserschänke“ würde dann auch noch an jenem ersten Septemberfreitag eine Erfrischung bereitstehen, bevor ich dann wieder am anderen Ufer eine knappe Stunde zurücklaufen und mich mit einem Sprung ins Freibad Sachsenburg abkühlen würde.

Der Fährmann bezeichnet sich, als er mich zusammen mit zwei freundlichen Passagieren innerhalb weniger Minuten in der Querseilfähre übersetzt (in diesem wunderschönen Landschaftspanoraoma natürlich viel zu kurz!) als „Queraussteiger“. Das passt sowohl zu seinem Lebenslauf als auch zum Verkehrsmittel: Seinen Lehrerberuf hat er an den Nagel gehängt, und nun steuert er händisch, ohne jede PS-Kraft, die Querseilfähre namens Anna. Diese ist an einem zwischen den Ufern gespannten Führungseil befestigt: Die Muskelkraft reicht aus, um sie mittels einer Hangelbewegung sicher überzusetzen. Manchmal scheint der Mensch in seinem Erfindergeist einfach nur genial zu sein, vor allem angesichts der nicht nur scheinbaren Einfachheit dieser Mechanik und der Physik.

Querseilfähre
Querseilfähre Anna vom westlichen Zschopauufer aus gesehen

Die Querseilfähre gibt es schon seit den 1820er Jahren, steuert also auf das 200-jährige Jubiläum zu. Anna Erler war in den 1930er und 1940 Jahren für die Gastwirtschaft zuständig; sie ist als direkte Vorfahrin der heutigen Inhaber Namenspatin der Querseilfähre. Als erneut Verheiratete mit dem Nachnamen Ahner musste sie 1939 auch den Tod ihres zweiten Ehemanns verkraften, der bei Hochwasser in der Zschopau ertrank. Anschließend gab es zu DDR-Zeiten keine Gaststätte, die als Dreh- und Angelpunkt dieses Tal hätte aufwerten können. Zum Glück hat die 1991 wiedereröffnete Wasserschänke nach der vorübergehenden Schließung 2023 zum Jahreswechsel neue Pächter gefunden. Eine Einkehr im Biergarten oder in der originellen Gaststube ist empfehlenswert!

Im Amtsblatt der Gemeinde Lichtenau befindet sich in der Ausgabe Juni 2024 auf Seite 29 ein schöner historischer Abriss über die Querseilfähre, verfasst von Günter Teichert.

Märchenhafte Alpenwelt

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Wilde Alpentouren ist ein kleiner Reiseveranstalter, der vom Namen her sicher doppeldeutig gesehen werden kann. Jochen Wilde ist der Gründer und lässt mit seinem Nachnamen auch auf die Entdeckung des Wilden, Unberührbaren hoffen.

Meinem Bruder und mir wurde nach einer wegen zu weniger Anmeldungen stornierten Allgäu-Tour  die zum gleichen Termin stattfindende 4-Tages-Tour „Märchenhaftes Alpsteinmassiv“ Ende August empfohlen. Das Stichwort Appenzeller Land ließ mich sofort innerlich „ja“ zu diesem Unterfangen sagen; meinem Bruder war diese zum Wandern äußerst attraktive Gegend auch mehr als recht.

3 Hüttenübernachtungen in einer 10er-Gruppe, das war und ist ein maßgeschneidertes Angebot, um den Niederungen des Alltags zu entkommen. Dank des traumhaften Wetters konnte diese Erwartung voll und ganz erfüllt werden. Andrea, unsere Bergführerin, meisterte ihre Aufgabe souverän, obwohl sie kurzfristig einspringen musste und die Region bislang kaum kennt. Da überdies die Tour zum ersten Mal angeboten wurde, fehlten sowohl den Teilnehmern als auch den Organisatoren einige Erfahrungswerte, die hier nur anklingen und von mehreren Stimmen weiter zusammengetragen werden könnten.  

Kurz umrissen ist die Route mit den folgenden Stationen: Wildhaus – Terwil-Alm –Zwinglipasshütte (Tag 1) – Chreialpfirst – Mutschenpass – Mutschen (optional) – Saxer Lücke – Berggasthaus Staubern – Furgglenalp –  Gasthaus Bollenwees (Tag 2)  – Wildalmpass – Rotpasshütte – Säntis – Tierwis (Tag 3) – Gamplüt – Wildhaus (Tag 4).

Auf den bewährten Kartenportalen kann die Route eindeutig nachvollzogen und natürlich auch angepasst werden. Im Internet verfügbare Bilder, zum Beispiel im Outdoor-Magazin, geben bereits einen Eindruck über die unglaubliche Schönheit dieser (hoch-)alpinen Welt.

Ich konzentriere mich nun auf vier Gedanken, die ich auch noch in vielen Jahren als erinnerungswürdig einstufe und die anders als ein klassischer Wanderbericht womöglich seltener in anderen Quellen nachzulesen sind.

Gedanke vom 1. Tag: Ehrenamt

Die Zwinglipasshütte wird von der Toggenburger Sektion des Schweizer Alpinclubs bewirtschaftet und gehört dieser auch. Das bedeutet, dass nur dank vieler Ehrenamtlicher der Hüttenbetrieb aufrecht erhalten werden kann. Hier kommen also Eigentum und Ehrenamt zusammen: Man merkt anhand der freundlichen Grußworte, der exzellenten Bewirtung und weiterer Erläuterungen zum Hüttenbetrieb, dass viel Herzblut in der Zwinglipasshütte gegenwärtig ist. Das imponiert mir, weil sofort ein familiärer Ton vorherrscht und das Willkommen groß geschrieben wird. Dabei ist der Betrieb mühsam: Die Transportseilbahn führt nur bis auf 1800 m; die letzten 200 Höhenmeter müssen also mit großem Marschgepäck zurückgelegt werden. In dieser Saison hat wegen der hohen Buchungszahlen zusätzlich ein Helikopter ausgeholfen, was natürlich sehr teuer ist.

Zwinglipasshütte
Die Zwinglipasshütte auf 2000 Metern über dem Meeresspiegel

Gedanke vom 2. Tag: Bilderbuchlandschaft

Kein Wunder, dass wir auf den aussichtsreichen Wegen besonders am Wochenende sehr vielen Wanderern begegnen. Wir hören einige gängige Sprachen; Tourismus in der Schweiz ist eindeutig international ausgerichtet, auch weil man in fast alle Regionen schnell und unkompliziert kommt. Vom Züricher Flughafen braucht man selbst mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur knappe zwei Stunden, um eine Wanderung ins Alpsteinmassiv zu unternehmen.

Der Begriff Bilderbuchlandschaft trifft einfach zu: Gerade das Panorama zwischen der Saxer Lücke und dem Gasthaus Staubern bleibt den ganzen Nachmittag in seinen perspektivischen Veränderungen äußerst reizvoll. Nicht nur felsiges Terrain steht uns vor Augen: In den Talböden schimmert das Wasser von drei Seen mitten im satten Grün. Ein Sprung in den Fählensee direkt am Berggasthaus Bollenwees ist an heißen Tagen mehr als nur eine Erfrischung! Ein wunderschönes Foto, auf dem dieser See zu sehen ist, ersetzt hier weitere wortreiche Schilderungen:

Bilderbuchlandschaft
Malerischer Blick bis zum Säntis (2502 m) mit seinen Altschneeresten (Foto: Annalena Müller)

Gedanke vom 3. Tag: Eine Seilbahnstütze als sonderbarer Ausstiegsort

Der dritte Tag bot eindeutig die abenteuerlichste, schwierigste und längste Route. Gerade der Übergang von der Rotpasshütte zum Säntis sollte nur von schwindelfreien Bergwanderern begangen werden. Einige drahtseilversicherte und damit ausgesetzte Passagen sind dabei; bei viel Gegenverkehr und schwerem Gepäck wie in unserem Fall ist der Weg natürlich schon beschwerlicher.

Der Säntis-Gipfel ist nahezu komplett bebaut – er stellt sich mit seinem Observatorium in den Dienst der Wissenschaft. Auch ein großes Gasthaus ist selbstverständlich dort. Das Zusammenspiel von Natur und Technik ist in der felsigen Kulisse bizarr, weil es so unwirtlich dort oben ist: Rekordniederschläge und sehr viel Schnee (laut Statistik etwa 10 Meter pro Saison) erschweren dort jeglichen Betrieb.

Die moderne Luftseilbahn hinunter zur Schwägalp ist auch eine technologische Höchstleistung. Wir nehmen sie ein Stück, genauer gesagt bis zur Sütze 2, da wir nicht in Tierwis unser Abendessen verpassen wollen und der Abstieg mindestens genauso hart sein dürfte wie der Aufstieg von der Rotpasshütte.

Diese Stütze als Station zu betrachten ist schon sehr gewagt. Von der Seilbahn führt wie bei einem Aussichtsturm eine Treppe hinunter, mitten ins felsige Gelände. Dass wir für diese kurze Fahrt pro Person 20 Franken zahlen mussten, empört uns. Wer wie jener Seilbahnwärter zum Geldverdienen seinen Job macht, knöpft einfach das Geld ab und kommt mit keinem Wort unserem Argwohn entgegen. Eine Ermäßigung – auf schweizerdeutsch: Halbtax (ich verstehe irrtümlicherweise „halbtags“) – können wir auch nicht vorzeigen; einen Gruppentarif scheint es nicht zu geben, so dass wir uns geschröpft vorkommen. Zum Glück hilft uns der Transfer zeitlich, so dass wir das Berggasthaus Tierwis rechtzeitig zum Abendessen erreichen.  In der Dämmerung richten sich viele Handykameras auf gleich zwei Steinböcke, die direkt an der Unterkunft stehen. Wie sie wohl nur so ein Zutrauen entwickeln konnten? 

Säntis-Seilbahn in Richtung Gipfel
Felsige Bergwelt (mit Stütze 2) mit dem vorübergehend in Wolken gehüllten Säntis, wohin die Seilbahn hinaufführt.

Gedanke vom 4. Tag: Eine gute Laune der Natur

Am Tag des Abstiegs hinunter ins Tal gingen wir wie tags zuvor anfangs durch eine felsige Kalksteinlandschaft. Umso bemerkenswerter war es, dass wir immer wieder einige Wildblumen sahen, von denen der blühende Schnittlauch vielleicht am beeindruckendsten war, weil er in diesen Höhen nicht oft anzutreffen ist. Andrea meinte, dass sie ihn nie zuvor auf alpinen Wanderungen gesehen hat.

Schnittlauch in den Bergen
Wilder Schnittlauch unterhalb der Tierwis-Alm (Foto: Annalena Müller)

Der Wiedereintritt in Wiesen und Wälder bedeutet, dass wir uns wieder in zivileren Gefilden befinden. Feld- und Forstwege sind trotz des Schotters angenehm zu laufen; kurz nach 13 Uhr sind wir zurück in Wildhaus, wo sich unsere Wege wieder trennen. Erst abends sollte es vor Ort wieder nass werden. Mit einigen Tagen Abstand lässt sich sagen:  Die märchenhafte Wandertour habe sicher nicht nur ich als wahrhaftiges Abenteuer erlebt!

Die Tour ist auf der Internetseite von Wilde Alpentouren etappenweise beschrieben. Vielen Dank an Annalena Müller für die Erlaubnis, zwei Fotos aus ihrer digitalen Fotosammlung verwenden zu dürfen!

Die Technik als Störenfried

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Der Zwickauer Kornmarkt eignet sich gut für politische Kundgebungen der kleineren Art. Nicht zu groß und vor allem nicht zu belebt – da können Redner jedweder Couleur sich Aufmerksamkeit verschaffen.

Am 19.08. besuchte der deutschlandweit recht bekannte CDU-Politiker Wolfgang Bosbach Zwickau. Da mein Büro an der Westsächsischen Hochschule direkt am Kornmarkt liegt, hatte ich nur wenige Schritte zu laufen, um seinen Ausführungen zu lauschen.

Zuvor hatte ich gegen 18 Uhr Herrn Bosbach schon gesehen, als er im Restaurant No.9 (im First Inn Hotel) allein zu Abend aß. Dabei hatte ich mich gefragt, ob einem Politiker vor einem Auftritt Gesellschaft zuträglich ist oder nicht. Es schien mir jedenfalls, dass meine Gegenwart ohne Anliegen, durchaus erwünscht war. Bosbach hatte tiefgestapelt: Ob überhaupt jemand kommen werde? Eine Person verlor sich halb sieben auf den Zuhörerplätzen.

Als es um 19 Uhr losging – oh Wunder! – waren alle ca. 30 Plätze gefüllt:

Bosbach in Zwickau
Wolfgang Bosbach zu Gast in Zwickau, 19.08.24

Leider wollte die Mikrofonanlage einfach nicht mitmachen – Aussetzer en masse, schrille Töne! Man hatte den Eindruck, dass ohne veritable Störer ringsum (welch ein Segen, dass Protest-Trommler auf ihrem montäglichen Umzug durch Zwickau nur wenige Minuten kurz vor 19 Uhr am Ort vorbeizogen, ohne wiederzukehren.) die Technik der eigentliche Störenfried war.

Gerald Otto, der gastgebende CDU-Landtagsabgeordnete, beging gleich mehrere Fauxpas. Der eindeutigste kam gleich zu Beginn, als sofort aus dem Publikum klargestellt wurde, dass der Nachname des Gastes mit einem offenen ‚o’ und keinem geschlossenen auszusprechen sei.

Das vorwiegend ältere Publikum lauschte andächtig dem Gespräch, das deutlich besser gewesen wäre, wenn es ein Journalist geführt hätte. Es ist nicht trivial, gute 60 Minuten einen Dialog zusammen mit anschließenden Fragen aus dem Publikum zu steuern. Dass thematisch die Migrationspolitik aufgetischt wurde, war wichtig, weil sie vielen auf den Nägeln brennt. Bosbach Wunsch ist, ein gutes Verhältnis aus „Humanität“ und „Ordnung“ hinzubekommen. Das klingt überzeugend. Nur ist es einfach kaum möglich gewesen, seit 2015 für „Ordnung“ zu sorgen, weil es mit dem Grundsatz der Humanität schwer vereinbar gewesen wäre, zumindest Anfang September 2015, als EU-Recht nicht von allen EU-Staaten eingehalten wurde.  Auch die Pandemie hat gezeigt, dass die Vielzahl der Schutzverordnungen, die ja zum Ziel haben sollten, möglichst geordnet für den Schutz der Gesundheit vieler Menschen zu sorgen, höchst tückisch in ihrer Anwendung sein kann. 

Eine Dame aus dem Pubikum fragte, ob die Politik vorhabe, das Bargeld ganz abzuschaffen. Damit würde ja ältere Menschen endgültig abgehängt. Bosbach antwortete klug, dass es niemand vorhabe. Dass größere Transaktionen in bar auch Geldwäsche erleichterten, war ein erhellender Punkt. Kartenzahlungen sind öfter transparenter, doch natürlich ist auch das Freiheitsargument gewichtig: Nicht jede Geld-Transaktion soll in den Augen mancher Kunden rückverfolgbar sein können.

Auch ging es in der Diskussion um allgemeine Auffälligkeiten, wie die unsachliche Abwertung des politischen Gegners, die zum Glück nicht zu den Handlungen von Bosbach gehört. Sein sachlicher Ton ist immer wieder auch mit humorigen Einlagen versehen, die eher auflockern als versteifen.  So vermeidet man ein gereiztes Klima, das nicht weiterführend ist. Wer so wie Bosbach nicht mehr in Amt und Würden ist, kann auch sicherlich etwas gelassener auf die geleistete Arbeit und auf die sicher herausfordende Zukunft in der deutschen Bundespolitik und in der sächsischen Landespolitik schauen. Seine Bundestagsmandate hat er oft mit traumhaften Wahlergebnissen gewinnen können. Hier ist die Erfolg-Sicherheit im Hinblick auf die Vergangenheit spürbar: Erfolge dienen auch der Souveränität im politischen Handeln.

Was das Foto schön zeigt, bleibt die Monobloc-Bestuhlung genauso kultig wie der VW Bulli! Diese kultige Kombination wird mir ganz sicher in Erinnerung bleiben!

Auf dem richtigen Weg? Über das Umherschweifen

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Waldwege können Künstler und nicht nur Wanderer herausfordern. Das beste Beispiel dafür ist das Gemälde „Waldweg“ (1874 – 1877) von Pierre-Auguste Renoir, das ich im Januar 2023 im Potsdamer Barberini-Museum länger betrachtete. Es lässt sich über den angegebenen Link auch mit der Lupenfunktion (über das Plus-Zeichen) in sehr guter Auflösung betrachten. Auf der Museums-Homepage liest man über das Werk Folgendes:

Wie in vielen Gemälden der Impressionisten gewährt auch hier der Waldweg nicht nur räumlichen Eintritt in die Komposition. Vielmehr lädt er auch sinnbildlich zur Kontemplation eines Sommertags in freier Natur ein. Die in die Landschaft eingebettete Gestalt des jungen Spaziergängers dient als metaphorische Identifikationsfigur für den Betrachter – ein typisches Vorgehen für die Impressionisten, die in ihren Landschaftsdarstellungen stets auf eine sinnlich-körperliche Rezeption abzielten.

Wie sicher das Betrachterauge doch den Weg und den Spaziergänger inmitten der Natur findet. Die Blickachse ist identisch mit der Wegachse, die senkrecht verläuft, so wie wir auch in der Natur Wege ausmachen. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Waldszene, die ich in der Nähe von Glauchau im November 2022 aufnahm:

Farbenfroher Waldweg
Waldweg bei Glauchau, im November 2022

Auch hier weiß man recht schnell, wo es lang geht, wenngleich der Weg durch Laub und einem Hauch von Schnee schwerer als sonst auszumachen ist. Statt einem sommerlichen Lichteinfall scheint sich die dezente Herbstsonne hinter den Bäumen zu verstecken. Und doch ist hier eine Magie des Lichts spürbar.

Die vom Barberini-Museum zur Verfügung gestellte Bildbesprechung spricht von der „Auflösung der Formen“ bei Renoir, die für den Impressionismus typisch ist. Das Eintauchen in den Wald wird umso einfacher: Man kann als Betrachter gar nicht erst auf die Idee kommen, die Elemente des Walds isoliert zu betrachten. Das Verschmelzen der Farben gleicht einem Sinnesrausch, so dass die Betrachtung genauso sinnlich wirken kann wie ein leibhaftig erlebter Waldweg.

Auf meinem Glauchauer Waldspaziergang begeisterte mich die Verschmelzung von Herbst und Winter. Auf dem Foto lässt sich schön erkennen, dass das Noch-Grün mancher Bäume im Kontrast zum Bereits-Weiß des von Laub bedeckten Waldbodens steht. Es ist also kein typisches jahreszeitliches Bild.

Jeder Weg ließe sich einem bestimmten Typus zuordnen. Als Kind legte ich bereits großen Wert darauf, einen Schleichweg und eben keinen breiten Forstweg zu nehmen. Renoirs Gemälde hätte auch weniger Reiz, wäre der Waldweg allzu breit. Wenn ich im Berliner Raum den merkwürdigen Straßennamen Gestell lese, dann denke ich an eine monotone Wegeform, die Forstzwecken diente. Schnurgerade natürlich, mit 90-Grad-Wegekreuzungen. Die Schneise namens Adlergestell ist im deutsch-deutschen Grenzverkehr wohl vom und zum DDR-Flughafen Berlin-Schönefeld von größerer Bedeutung gewesen, glaubt man der Berliner Morgenpost. In Preußen diente der Adler überdies als Orientierungszeichen, speziell für den König Friedrich Wilhelm I, als er südostwärts zu seinem Jagdschloss in Königs Wusterhausen mit seiner Entourage ritt.

Im Zeitalter digitaler Navigationsmöglichkeiten verfahren sich die Wenigsten, die sich leiten lassen wollen. Auch Wander-Apps verhindern meist zuverlässig das Verlaufen. Poetisch heißt es in Leona Stahlmanns Roman Diese ganzen belanglosen Wunder: „Sich einen Weg machen. Wege sind ein gegenseitiger Gewöhnungseffekt. Man selbst gewöhnt sich an eine Landschaft; und die Landschaft gewöhnt sich an den, der durch sie hindurchgeht.“ Denkt man an gestaltete Orte und Räume, dann prägt der Vorüberziehende die Umgebung. So wie bei Renoir Landschaft mitsamt dem Weg und den Wandernden verfließt, so sind Wege als Spuren letztlich die Spuren, die wir hinterlassen. Digitale Spuren lassen sich gut verfolgen, analoge Spuren nicht. Umso wichtiger, sich zu vergegenwärtigen, dass jeder Weg auch ein Teil der Landschaft ist und diese nur so überhaupt erschlossen werden kann. Je mehr Wege, desto mehr Perspektiven!

Wenn eine Dialektperle eine Perlbohne benennt: Über ein klitzekleines Wortgeschöpf

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Es kommt nicht häufig vor, dass im Deutschen Bundestag ein Wort verwendet wird, das aufgrund seines dialektalen Charakters einer Übersetzung bedarf. Ende November 2023 war dies der Fall: Der FDP-Abgeordnete Stephan Seiter brachte eine schwäbische Kostprobe in den Berliner Plenarsaal ein. Im Kontext einer eher drögen Debatte zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes wirkte diese inklusive der Übersetzung so überraschend platziert, dass ich als Zuschauer aufhorchte und sogleich ins Protokoll schaute. Darin ist folgendes festgehalten:  

Genau das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen, und darüber müssen wir diskutieren. Es ist doch besser, wir diskutieren darüber – auf Schwäbisch gesagt; das muss ich jetzt einfach sagen – a Muggaseggele länger, also ein klein wenig länger, als im Nachhinein wieder Flickschusterei betreiben zu müssen. Denn das hat das Wissenschaftszeitvertragsgesetz in der Vergangenheit schon erfahren, und das hat den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nichts genutzt. Deswegen nehmen wir uns diese Zeit. Wir klären diese Punkte.

Laut einem schwäbischstämmigen Freund bedeutet  ‚muggaseggele’ eine „Kleinigkeit“ bzw. eine „Petitesse“. Nach dem Protokoll zu urteilen kann man es auch adverbiell für eine Präzisierung eines weiteren Adverbs, in diesem Fall „länger“ verwenden.

Klare Sache: Außerhalb von Schwaben wird man das Wort kaum kennen können: Drei von mir befragte Gesprächsteilnehmer aus meiner Familie konnten damit nichts anfangen, doch der Klang des Wortes kann nur erheiternd wirken!

Laut der Duden-Redaktion ist das Wort muggaseggele als ‚Schwabens kleinste Einheit’ im Gebrauch und soll im Duden Aufnahme finden! Dabei erfährt der Leser Folgendes: „Das Muggaseggele bezieht sich auf das Geschlechtsorgan der männlichen Stubenfliege, die im schwäbischen Dialekt als Mugg bezeichnet wird.“

Schließlich fand ich bei einer kurzen Internet-Recherche heraus, dass die Firma Explorer Coffee GmbH edlen Kaffee unter der wohlklingenden Bezeichnung muggaseggele Perlbohne vermarktet. Da konnte ich nicht widerstehen und bestellte online. Ich bin schon sehr auf das Geschmackserlebnis gespannt!

Gut möglich, dass ich als Nicht-Schwabe bei diesem Produkt ein Ausreißer-Kunde bin, der bewusst aus Spaß an der Produktbezeichnung zugeschlagen hat. Und dann auch noch die anschließende Bezeichnung Perlbohnen…Ein Tchibo-Wiki klärt über deren Besonderheiten auf: Mild im Geschmack, rundlich in der Form, so könnte man sie kurz umreißen.

Prof. Dr. Stephan Seiter, der übrigens eine VWL-Professur an der European Business School in Reutlingen innehat, bescherte mir jedenfalls mit der Dialektperle eine Freude. Es sei erwähnt, dass sein Redebeitrag sehr sachlich und ausgewogen formuliert ist. Die Abwägung bei befristeten akademischen Tätigkeiten besteht allgemein darin, dass einerseits genügend Qualifikationsmöglichkeiten für Wissenschaftler, andererseits auch eine überdurchschnittliche Fluktuation ermöglicht werden soll. Je mehr Stellen unbefristet sind, desto weniger einfach sind akademische Jobs für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu besetzen. Doch oft sind „Mittel Dritter“, wie es in § 2 Absatz 2 des Gesetzes heißt, ein Grund für eine Befristung, die grundsätzlich so lange gilt, bis Eigenmittel gefunden werden oder die Drittmittel nicht mehr fließen. Es kann also sein, dass eine Stelle aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen trotz Bedarf ausläuft. Von Fluktuation kann hier keine Rede sein.

Ein wesentlicher Punkt der Gesetzesnovellierung, die sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag 2021 festgeschrieben hat, seien Mindestvertragslaufzeiten bei einer Befristung. Noch müssen Details dazu diskutiert werden, wobei die Wichtigkeit der Diskussion von Prof. Seiter hervorgehoben wird, um nicht später von einer unausgereiften Gesetzesänderung sprechen zu müssen. Ich bin gespannt, ob sich die Diskussionen gelohnt haben werden. Das Thema „Befristungsquoten“ in der Wissenschaft, das gesetzlich nicht geregelt ist, kam auch zur Sprache. Hier ist die Faktenlage ernüchternd: Im Jahr 2020 waren mehr als 60% promovierte und mehr als 90% nicht-promovierte Wissenschaftler befristet beschäftigt. Abwarten und Tee, nein Perlbohnen-Kaffee trinken, um zu erfahren, ob die Befristungsquoten in der Zukunft gesenkt werden können!

Die Rede von Prof. Seiter am 29.11.23 kann in einem Video noch mal angeschaut werden.

Besonders wachsam: Wenn es in den Ohren klingelt

Ende November hatte ich das Vergnügen, zum wiederholten Mal einen Künstler in seinem Atelier in der Nähe des sächsischen Waldenburg aufzusuchen, der durch seine Lebensgeschichte und seine Gemälde mich stets im positiven Sinne herausfordert. Frithjof Herrmann ist in einschlägigen Kreisen kein Unbekannter – zumindest nicht im Umkreis seiner Geburtsstadt Zwickau. Ich lernte sein Werk in einer Ausstellung in Meerane bei Glauchau kennen und war sofort von seinen Farbkompositionen in den Bann gezogen. An weiterführenden Schulen hat er sein künstlerisches Wissen über Jahrzehnte vermittelt; bis zum heutigen Tag unterrichtet er das eine oder andere junge Talent.

Atelier von Frithjof Herrmann
Das Atelier von Frithjof Herrmann in Niederwiera bei Waldenburg; November 2022.

Nachfolgend geht es um ein einziges Wort, das Frithjof aussprach und in meinen Ohren klingelte. Im leicht sächsisch gefärbtem Dialekt hörte ich so etwas wie „fischilant“; nur wenige Augenblicke später sprach ich ihn auf das Wort an, das er als „vigilant“ bestätigte und es im Kontext sicher auch korrekt für seine Selbstbeschreibung verwendete. Es war mir noch nie im Deutschen zu Ohren gekommen; dank des Französischen, das es neben dem Englischen in gleicher Schreibweise kennt, war mir klar, was er meinte. Nur dachte Frithjof, dass das Wort (weiterhin) recht geläufig sei. Da musste ich Zweifel anmelden. Und siehe da: Der Zusatz „veraltet“ wird bei wortbedeutung.info der Worterklärung vorangestellt. Als vigilant gilt bzw. galt jemand, der „eine hohe Intelligenz mit scharfem Verstand“ aufweist. Auf Frithjof Herrmann trifft das zu, denn er hat sein langes Leben auch dank dieser Eigenschaft eindrucksvoll gemeistert. Im Englischen und Französischen ist die Bedeutung etwas anders: Hier geht es darum, „mit Sorge und Hingabe“ auf etwas zu achten. Das trifft auch auf meine Erfahrungen mit diesem Wort in Frankreich zu: „Restez vigilants!“ kann man leicht mit „Bleiben Sie wachsam!“ übersetzen. Hierfür sollte man selbst Sorge tragen; mit Scharfsinn hat das weniger zu tun.

Seit den 1970er Jahren ist in unserem Nachbarland der „Plan Vigipirate“ in Kraft. Durch Museums- und Theaterbesuche ist mir der Begriff seit den 2000er Jahren vertraut, obwohl ich die eigentliche Bedeutung bislang nie recherchiert hatte.  Ich muss dabei stets an einen Piraten denken, auch wenn, wie ich kürzlich erfuhr, der Begriff ein vollständiges Akronym ist. „Vigi“ steht dabei für „vigilance“ (Wachsamkeit) und „pirate“ für „protection des installations contre les risques d’attentats terroristes à l’explosif“. Hier wird deutlich, dass das Französische auch bei sehr ernst zu nehmenden politischen Maßnahmen quasi spielerisch mit Sprache umgeht. Denn es liegt auf der Hand, dass sich gedanklich der Angesprochene  wachsam gegen Piraten verhalten sollte, auch wenn der Piratenbegriff eigentlich für Straftäter auf hoher See vorbehalten ist, wo nicht schnell staatliche Gewalt eingreifen kann. Würde man in Deutschland nicht lang darüber diskutieren, ob hier nicht Missverständnisse zu erwarten seien? Man könnte ja auch denken, dass man selbst zum Piraten wird – seit dem Aufkommen der Piratenpartei in den 2010er Jahren liegt dies nicht ausschließlich im Bereich der Fantasie.  Übrigens wird der Begriff „Vigilanz“ im Deutschen in der Neurologie  verwendet und bezeichnet einen Zustand der Wachheit bzw. Aufmerksamkeit, mit der der Mensch gewisse Leistungen absolvieren kann. Sowohl Wachsamkeit als auch Scharfsinnigkeit kommen hier als menschliche Grundfähigkeiten ins Spiel. 

Auch die Bibel erinnert uns öfter an unsre Wachsamkeit, am prominentesten im 24. Kapitel des Matthäus-Evangeliums: 

Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht.

Dieses Gleichnis vom „wachsamen Hausherrn“ appelliert an das, was Frithjof Herrmann als „vigilant“ bezeichnete.  Man weiß ebenso wenig vorher, wann die Gefahren lauern und wann Christus uns begegnet. Man könnte sogar sagen: „Im Begriff der Wachsamkeit sind alle moralischen Einzelforderungen zusammengefasst.“ Jedenfalls hat mich wachsames Zuhören zu diesem Artikel geführt, der ohne das Schlüssel-Wort aus dem Mund eines  „vigilanten“  Künstlers nicht entstanden wäre…

Zum Aussteigen und Abschalten: Über eine Lektüre am Rande des Zuckerbahnradwegs

Ein stimmiges Intro für eine Literatursendung: Da steige ich in Zeitz aus dem Auto auf mein Fahrrad und nehme Kurs auf den erst einige Jahre vollständig fertiggestellten Zuckerbahnradweg. Neben einer Packung Energy Balls kommt ein Roman mit, das das Aussteigen als Lebensveränderung thematisiert: Herr Jensen steigt aus von Jakob Hein (2006), wahrlich ein moderner Aussteigerroman. Damit aber noch nicht genug: Bevor ich den offiziellen, gut 35 Kilometer langen Radweg in Angriff nehme, pumpe ich an einer bft-Tankstelle noch meine Reifen auf. Am Rande sitzen junge Leute mit Bierpullen zusammen. Ein Gesprächsfetzen lässt mich aufhorchen. Angeblich laufe nichts Gescheites im Fernsehen, woraufhin einer lapidar ausruft : „Hartz-4-Fernsehen!“ Ich hätte noch länger gelauscht, doch ich habe nur gute dreieinhalb Stunden Zeit, um die einzige wirklich annehmbare Umsteigeverbindung am Zielort zu erwischen, um wieder vor Einbruch der Dunkelheit am Auto zu sein. Der Melassegeruch in der Nähe des Südzucker-Firmengrundstücks begleitet mich kilometerlang. So macht der Radweg seinem Namen alle Ehre.

Zuckerbahnradweg
Makro-Schiene als Fahrradabstellmöglichkeit (für
„Schienenersatzverkehrsfahrzeuge “) am ehemaligen Bahnhof Droyßig

Im Roman wird das Medium Fernsehen ebenfalls in einen sozioökonomischen Kontext gebracht. Folgenden Passus, der mir zu dem Zeitpunkt schon bekannt war, hätte ich gerne mit etwas mehr Zeitpuffer an der Tankstelle vorgelesen:  

Herr Jensen verließ seine Küche, setzte sich auf sein Sofa, ergriff die Fernbedienung und schaltete seinen Fernseher an. Er drückte sich durch die verschiedenen Programme und wurde von einer tiefen Zufriedenheit erfasst. Sie hatten ihm die Arbeit genommen und seine Pläne, aber sie mussten ihm immer noch genau dasselbe Fernsehprogramm geben. Dutzende verschiedener Sender, mit Millionenaufwand produzierte Programme, durch Werbung finanziert. Er empfing genau das gleiche Fernsehprogramm wie ein Millionär, was ihm schon fast wie Kommunismus erschien. Und es war vollkommen nutzlos, Herr Jensen hätte sich im Moment kein einziges der Produkte gekauft, für das sie da Werbung machten. Trotzdem konnte er die verschwenderische Vielfalt in vollem Umfang aufnehmen, sie wurde ihm vor die Füße geworfen. 

Mit Hartz 4 begann in etwa das 21. Jahrhundert in der deutschen Sozialpolitik. Der Ausdruck „Hartz-4 -Fernsehen“ verknüpft, wie es an der Tankstelle anklang,  die dürftige Sozialhilfe mit dem Fernsehprogramm, was ein gar nicht so trivialer Gedanke ist. Das Fernsehen ist im Grunde für alle erschwinglich und zugänglich. Die Vielzahl an Kanälen lässt sich nicht mehr überblicken, so dass zusammen mit dem Internet-Fernsehen eine Übersättigung für alle Zielgruppen vorhanden ist.  Wer viel Zeit und wenig Elan hat, kann stundenlang am Tag vor dem Fernseher hocken. Und nicht selten werden Hartz-4-Empfänger im Fernsehen porträtiert und ihr Leben beschrieben, wovon 2018 Die Zeit berichtete. Insofern ist die Analogie zwischen Status und Medium nicht irreführend. Traurig ist der aufgeschnappte Begriff allemal. Denn man fragt sich schon, was die produktiven Fernsehschaffenden antreibt, um in mehreren Formaten ausführlich über Randgruppen zu berichten. Gibt es da neue Erkenntnisse? Klar ist: Das Programm wird mitsamt der Werbung von vielen Zuschauern konsumiert (und indirekt auch bezahlt). Hier zählt bestimmt der Faktor der Identifikation mit der Sendung.

Auf der Rückfahrt lese ich im besagten Roman weiter. Im Grunde ist Herr Jensen ein Typ, der sich des sozialen Netzes entledigt. Dadurch, dass er nicht nur seinen Fernsehapparat „mit einer ruhigen, geschmeidigen Bewegung aus dem geöffneten Fenster“ wirft, geht er mit Sozialleistungen nach seiner Entlassung als Postbote leichtfertig um: Als er seinen Briefkasten und sein Klingelschild demontiert, steigt er im Grunde aus seinem ganzen Sozialleben aus – von (Mobil-)Telefonen ist nicht die Rede. So passt es, dass die für ihn zuständige Sachbearbeiterin Frau Ortner, die mit „seiner Hartnäckigkeit, der arglosen Penetranz“ nicht so recht umgehen kann, beschließt, „dass er weiterhin seine Bezüge bekommen sollte, und das erst einmal auf unabsehbare Zeit und vor allem ohne Folgetermin in ihrem Büro“. Herr Jensen verweigert sich – er hat keinerlei abgeschlossene Ausbildung – einer weiteren Schulungsmaßname, denn sein früherer Arbeitgeber hat ihn zum Ausstieg veranlasst. Auf die Aussage von Frau Ortner, ein Kurs mit dem Namen „Fit for Logistics“ ergebe nach der erfolglosen Maßnahme „Fit for Gastro“ Sinn, antwortet Herr Jensen kühn:

Nein, mir wurde gekündigt, um Kündigungen zu vermeiden, in der Branche gibt es keinen Wiedereinstieg. Ich bin fit für die Branche, leider ist die Branche nicht mehr fit für mich.

Kaum ein Geschäft liegt direkt am Rande des Zuckerbahnradwegs. Ich unterquere nach etwa Hälfte der Strecke die A9, auf der es sich – wie surreal in einem dünn besiedelten Raum – in Richtung Norden sogar staute. Die Ortschaften sind allesamt unauffällig und am Reformationstag verschlafen. Man hört einzelne Stimmen von Privatgrundstücken aus. Einmal quert eine Pferdekutsche den Radweg. Ich sehe auf der ganzen Distanz sicher mehr Radfahrer als fahrende Autos. Auf den letzten etwa 10 Kilometern ist die Trasse nicht mehr vorhanden, doch die Wege bleiben gut fahrbar: Mit Elan rolle ich auf einer kilometerlangen Abfahrt hinab ins Saaletal und erreiche nach gut drei Stunden just-in-time den Zielort Camburg, nachdem ich mir den offiziellen kurzen Schlenker über den Saaleradweg am gegenüberliegenden Ufer erspart habe.

Um von Camburg zurück nach Zeitz zu kommen, fahre ich zunächst mit dem Regionalexpress in Richtung Leipzig und muss in Weißenfels umsteigen. Von dort bringt mich ein kleines, hochmodernes Triebfahrzeug trotz technischer Störung ohne merkliche Verzögerung bis Zeitz, wo es erst einmal abgestellt wird. Das Auto steht günstig in Bahnhofsnähe; rasch ist das Fahrrad verstaut, bevor die bft-Tankstelle zum Auftanken bereitsteht. Lückenlos schließt sich der Kreis nach mehrmaligem Auf-, Ab-, Ein- und Aussteigen.

Der Roman kann günstig über abebooks oder beim Piper Verlag erworben werden. Die Rezensionen erhielten ein geteiles Echo; die Besprechung der Neuen Zürcher Zeitung ist recht differenziert geschrieben. Die langen Zitate sind aus der Piper Ausgabe (13. Auflage) entnommen und finden sich auf den Seiten 31 und 105. Weitere Zitate stehen auf den Seiten 79 und 106/107.

In geregelten Bahnen – Über eine kinetische Installation

Als Kind habe  ich – sicher aus rein ästhetischen Gründen – um kurz vor 20 Uhr des öfteren die Ziehung der Lottozahlen gesehen. Sie war lange (von 1965 bis 2013) vor der Tagesschau auf einem festen Sendeplatz in der ARD. Die „Lottofee“ Karin Tietze-Ludwig schien dafür die Idealbesetzung gewesen zu sein. Heute ist die Ziehung ins Internet-Fernsehen abgewandert.  Gab es früher während der Ziehung sanfte Combo-Musik oder auch mal Electro-Beats, wird heute regelrecht gelabert.  Das Kamerabild der im gläsernen Rund geschwenkten Lottozahl-Kugeln scheint mitsamt der einzeln hinauskatapultierten Kugeln nicht mehr Spannungsmoment genug zu sein.

In der Konschthal von Esch-sur-Alzette dachte ich sicher noch nicht an die Ziehung der Lottozahlen, als ich mir auf mehreren Stockwerken die kinetische Installation Distance von Jeppe Hein anschaute.  Hier sind es mit Hilfe eines Startknopfs vom Ausstellungbesucher in Gang gesetzte weiße Kugeln (etwa in Bowling-Größe), die scheinbar unendlich lang in buchstäblich geregelten Bahnen rollen und wiederholt über Hebelifte auf ein höheres Energielevel gehoben werden. Die Langsamkeit des Rollens ist beeindruckend. Mitunter ist mal ist ein Looping eingebaut, mal geht es rasant abwärts. Man folgt der Kugel, was Aufmerksamkeit erfordert: Das Aus-den-Augen-Verlieren ist möglich, wenn mehrere Kugeln im Umlauf sind. Das Scheppern als Nebeneffekt vermittelt das Ungeschönte, Materielle. Die Gesetze der Physik soll man eben auch als Geräuschkulisse erfassen können. 

Wenig ist im Internet über die Installation geschrieben worden. Liegt es daran, dass sie kaum erklärungsbedürftig ist? Oder dass  man sie mit den eigenen Sinnen eingefangen haben muss? Ein Foto und ein sehr kurzes Video zeigen mich beim Betrachten der Installation. Dabei wird deutlich, dass der Unterschied zwischen den Medien im Kinetischen und Akustischen liegt: Das Foto kann die Dynamik und das Atmosphärische, wozu auch die Tonkulisse beiträgt, einfach nicht einfangen:

Distance von Jeppe Hein
Distance von Jeppe Hein
( Besichtigung am 21.08.2022 in der Konschthal Esch-sur-Alzette )
Distance von Jeppe Hein
(Besichtigung am 21.08.2022 in der Konschthal Esch-sur-Alzette)

Die Installation kann man gut nutzen, um physikalische Prozesse zu illustrieren. Ebenso lässt sich damit ein System als Konstrukt beleuchten. Wenn nur ein Bauteil defekt ist,  dann ist das ganze System lahmgelegt. Oft ist das nur abstrakt vorstellbar, doch in dem ehemaligen Möbelhaus, der heutigen Konschthal, merkt der Betrachter, wie stark es auf die Konzeption des Ganzen und auch auf jedes einzelne Element ankommt.  Die Wahrnehmung wird auf das Wesentliche gerichtet, nämlich auf den Ablauf.  So wie jeder Ausstellungsbesuch einen gewissen Ablauf hat, so wird hier deutlich, wie Wege vorgezeichnet und dann mit räumlichen Besonderheiten in Einklang gebracht werden. Man könnte hierbei auch an Lebenswege gehen, die auch energetisch gesteuert werden, Stichwort: „Lebensenergie“. In dieser Erkenntnis hat für mich die Installation auch etwas Modellhaftes. Distance steht für etwas Abstraktes, schwer zu Begreifendes. Ein Systemtheoretiker könnte hierzu Stellung nehmen.  

Meist nimmt ein Modell die Gestalt einer Miniatur an. Davon kann bei Jeppe Hein nicht die Rede sein. Ich würde von einer monumentalen Installation sprechen. Wir fühlen uns eher vom Spektakel übermannt. Das wäre beispielsweise bei einer Modelleisenbahn-Anlage nicht der Fall. Die kaum zu überschauenden Wahrnehmungsreize entsprechen auch eher unserer Erfahrungswelt. Die recht unbekannte Kulturhauptstadt – immerhin die zweitgrößte Stadt Luxemburgs – hat in zentraler Lage diese unsere Welt bereichert. Dafür sind wir ihr als Besucher dankbar.

Hier noch ein weiterer, kurzer Blogartikel mit einem unkommentierten, in Saint-Nazaire 2014 gedrehten Video zur Installation des 1974 in Kopenhagen geborenen Jeppe Hein. Distance war bereits an mehreren Orten ausgestellt. Das Bild und das kurze Video stellte mir freundlicherweise Cindy Unterrainer zur Verfügung.

Von Klettbach bis in die Vogesen

Je vous salue!

Grüßt euch! Da sind wir wieder und möchten euch auch dieses Mal auf eine kleine Reise, die über die Grenzen der Republik hinaus geht, entführen.

Wie ihr sicherlich schon erahnt habt, sind wir nicht einfach direkt in die Vogesen gefahren. Nein, wer uns kennt, weiß, dass wir zu Umwegen neigen und gerne an eher ungewöhnlichen Orten verweilen und die Umgebung auf uns wirken lassen; so auch dieses Mal.

In Klettbach, unserer ersten Station, verbrachten wir zwei angenehme Tage im Poul‘s Hof. Klettbach? Werdet ihr womöglich denken; wo mag das nur liegen? Nun, hier möchte ich euch natürlich nicht allzu lange auf die sprichwörtliche Folter spannen. Klettbach ist tatsächlich sehr verkehrsgünstig gelegen und befindet sich nur unweit von Erfurt, Weimar und Gotha entfernt. Also kamen wir natürlich nicht umhin, uns zumindest Erfurt und Gotha einmal anzuschauen.

Vor einigen Jahren, als ich noch jünger war, besuchten meine Familie und ich Erfurt; die Geburtsstadt meines Großvaters und meiner lieben Mama. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass ich etwas sentimental durch die Stadt wandelte, in der Hoffnung, einige der besuchten Orte wieder zu erkennen. Das gelang mir mal mehr, mal weniger gut, was sicherlich nicht zuletzt meinem eher mangelhaft ausgeprägten Orientierungssinn geschuldet ist.

Impressionen aus Erfurt

In Zeiten der Pandemie war es schön, im alten Stadtkern viele Menschen beim Bummeln oder an den zahlreichen Verkaufsständen zu sehen. Endlich war wieder Leben eingekehrt, was sich auch in der sichtlichen Freude der umherstreifenden Passanten zeigte.

Eine Dame erklärte ihrer etwas älteren Mutter, die sie im Rollstuhl vor sich her schob, was wohl diese riesige Absperrung und die große Bühne auf dem Domplatz zu bedeuten hätten. Nun, für diejenigen unter euch, die ebenso neugierig sind, wie die ältere Dame es zu sein schien, will ich das Rätsel natürlich sogleich auflösen. Zu jener Zeit, als wir Erfurt besuchten, gaben Die Ärzte ein paar Konzerte in der Stadt. So begegneten wir auch immer wieder auf unserem Spaziergang anderen Touristen, die es wegen des Konzertes in den Ort zog.

Auf unserem kleinen Stadtspaziergang begegnete uns aber auch ein netter Herr aus der Umgebung, der uns, weil er bemerkte, dass wir Hundefreunde seien, sogleich darüber informierte, dass erst kürzlich ein Hund ausgesetzt worden war und sich die Polizei nun der Sache angenommen habe, um den Halter zu ermitteln. Seinen Unmut darüber könnt ihr sicherlich nachvollziehen. 

Später am Tag ging es dann nach Gotha. Dort besuchten wir neben dem Herzoglichen Museum auch das Ekhof-Theater auf Schloss Friedenstein. Dieses kleine Theater zeichnet sich v. a. dadurch aus, dass die Bühnentechnik, mit der die Kulisse schnell umgestaltet werden kann, nahezu im originalen Zustand des 17. Jahrhunderts erhalten ist.

Eindrücke aus Gotha

Der Theaterabend war ein riesiger Spaß; voller Witz, einem „vermeintlich“ tödlichen Liebeselixir, Intrigen und Verlangen. So richteten die Akteure und Aktricen immer wieder auch das Wort an das verzückte Publikum. So zum Beispiel der Mönch, der sein „Gebräu“ unter das Volk bringen wollte, indem er kokett fragte: „Welche der Damen möchte heute alleine nach Hause gehen?!“ Ein Lachen ging durch die Reihen, als eine der Damen ihren Arm etwas zu spät wieder herunternahm.

Nach unserem Besuch in Klettbach und Gotha ging es dann in Richtung Luxemburg. Esch-sur-Alzette, die diesjährige Kulturhauptstadt Europas überraschte mit einem überdimensionierten, künstlerischen „Murmelprojekt“ und einem Universitäts-Campus, der sich wirklich sehen lassen konnte; alleine schon von der Farbgebung her. Ein Besuch des ehemaligen Hochofens durfte natürlich nicht fehlen. Hier galt es einige Treppenstufen und „Höhenmeter“ zu überwinden.

Kulturhauptstadt Esch-sur-Alzette

Danach hieß es endlich Urlaub in Frankreich. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie unglaublich aufgeregt ich war. Schon alleine die Fahrt durch den Tunnel in Richtung Frankreich bereitete mir große Freude. Selbstverständlich bestand ich darauf meine Betty (ja, so heißt mein Auto!) über die Grenze zu bewegen. Unsere erste Station war dann Nancy. Bei schönstem Wetter flanierten wir mit den beiden Hündchen durch die Stadt, genossen tolle Gespräche und eine wirklich sehr sehr leckere Quiche. Selbstverständlich durfte die eine oder andere Besichtigung dabei nicht fehlen.

Nancy in der Region Grand Est

Nach einigen Stündchen ging unsere Reise schließlich weiter. Hier übernahm Thomas nun das Steuer; und bei den Serpentinen, die wir teils durchqueren mussten, war ich auch wirklich sehr dankbar dafür. Mit dem Auto galt es nämlich einige Höhen und Kurven zu überwinden.

Letztlich erreichten wir unser Ziel und waren sichtlich glücklich und zufrieden. Auch die kleinen Hündchen freuten sich über ihren Auslauf auf der Ferme de Jean in Saulxures-sur-Moselotte.

Ankunft und erste Erkundung der Umgebung

Christophe, der Hausherr unserer Gîte, empfing uns freudig und zeigte uns die Unterkunft. Jeden Morgen bereitete er uns leckeres französisches Frühstück mit Käse, Croissants, Ei und Kaffee. Wer Marmelade oder Honig haben mochte, bekam natürlich auch dies. Christophe wirkte dabei stets entspannt und wir Deutschen machten unserem Ruf, sehr ordentlich und diszipliniert zu sein, im wahrsten Sinne des Wortes alle Ehre. Darüber scherzten wir dann auch gerne mit Christophe.

Wir genossen viele tolle Gespräche und ich konnte ein wenig an meinem Französisch üben.

Schöne Wanderungen durften in den Vogesen natürlich nicht fehlen. Meine zwei kleinen Hündchen benötigten allerdings einmal eine etwas längere Pause, um sich von den „Wanderspaziergängen“, denn diese waren eigentlich sehr hunde- und Cindy-freundlich konzipiert, wieder zu erholen. 

Wandereindrücke aus den Vogesen

Für mich als Berlinerin, mit vergleichsweise wenig Gebirgserfahrung (Wie hoch ist unser höchster „Berg“ in der Stadt? Etwa 120 Meter?!) waren die gut 1.000 Meter über dem Meer (unsere Ferme lag laut outdooractive.com auf 888 Metern :-)) eine tolle Abwechslung und kleine „Herausforderung“. Ihr könnt euch sicherlich denken, wie freudig erregt ich war, als ich das Gipfelkreuz des Hausbergs, dem Haut du Roc, erreichte. Der Anblick, der sich dabei bot, war einfach malerisch.

Ein Naturfreibadbesuch in der Base de Loisirs von Saulxures-sur-Moselotte durfte selbstverständlich nicht fehlen; ebenso wenig wie der Besuch zweier unglaublich schöner Gärten in Cornimont und Granges-Aumontzey (ehemals Granges-sur-Vologne). Längere, anregende Gespräche blieben dabei natürlich nicht aus; wenngleich ich dabei häufig eher im Hintergrund fungierte. Man spürte in beiden Gärten einfach die pure Liebe zur Natur; ein unvergessliches Erlebnis.

Kunst in La Bresse und Cornimont (Jardin et Objets des Panrées)

Artgerecht gehaltene Freigänger-Katzen, aber auch Freigänger-Gänse begegneten uns auf unserer Reise durch die Vogesen und sorgten immer wieder für schöne, einprägsame Momente.

Tierische Bekanntschaften 🙂

Sehr guter Wein, anregende Gespräche, kulturelle Höhepunkte, wie der Besuch des Musée du Bois und viel Natur bereiteten uns ein unvergleichliches Erlebnis.

Musée du Bois in Saulxures-sur-Moselotte

Über Haguenau im Elsass ging es schließlich zurück nach Deutschland.

Impressionen vom Festival du Houblon in Haguenau

Ein Dank gilt allen, die diesen Urlaub zu etwas ganz Besonderem gemacht haben; durch die vielen guten tiefgründigen Gespräche mit unserem Gastgeber Christophe und den lieben Menschen in Cornimont, La Bresse, Saulxures-sur-Moselotte und Berchigranges, die uns u. a. auch Anregungen für unser eigenes kleines künftiges Balkon-Gartenreich gaben und für das Gefühl, irgendwie zu Hause zu sein und sich willkommen zu fühlen, obwohl man vielleicht noch nicht so sicher in der französischen Aussprache war.

Jardin de Berchigranges

Ich jedenfalls werde diesen Urlaub ganz sicher nicht so schnell vergessen und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen mit Christophe und Gribouille, Familie Dronet, den Gartenfreunden aus Cornimont und all den anderen lieben Menschen, denen wir in den Vogesen begegnet sind. Am Liebsten wäre ich nie wieder fortgegangen.

À bientôt!

P. S. Für all diejenigen, die sich fragen, wer sich hinter Gribouille verbirgt… 🙂

Worauf Gribouille wohl wartet? 🙂

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