Das Jahr 2022 wird noch lange in Erinnerung bleiben: Die Stichwörter „Tankrabatt“ und „9-Euro-Ticket“ sind unter anderem für mich schon jetzt Kandidaten für das Wort des Jahres. Als Anfang Juni diese Vergünstigungen im wahrsten Sinne des Wortes in den Verkehr kamen, zahlte ich gerne extra: Auf der Wisentatalbahn gab ich 8 Euro für eine Fahrt aus, und ich fühlte mich mit diesem Preis so richtig glücklich.
Ich nahm an dem Tag gegen 17 Uhr den letzten Schienenbus, der sich von Schönberg im sächsischen Vogtland (Bahnhof auf der Strecke Hof-Zwickau) auf den ca. 16 Kilometer langen Weg ins thüringische Schleiz machte. Im Grunde waren außer mir nur Vereinsmitglieder und -sympathisanten an Bord, die sich mit großem Engagement seit 2007 um die reaktivierte Wisentatalbahn kümmern. Sie sorgen sich auch um das leibliche Wohl ihrer Fahrgäste. Aufgrund des leeren Wagens durfte ich direkt hinter dem Lokführer Platz nehmen – direkt neben meinem aufgehängten Fahrrad. Das war eine große Freude für mich! Die Leere erschien bizarr angesichts der oft überfüllten Regionalzüge an jenem Pfingstwochenende.
Man merkt es bereits an der Homepage und den ausliegenden Flyern an, dass hier Eisenbahnliebhaber mit Leidenschaft am Werk in einer Region sind, die touristisch unterbelichtet ist. In einem Sommer mancher Engpässe ist es auch ein Vorteil, dass trotz des naheliegenden „Thüringer Meers“ (Bleilochtalsperre) und Schloss Burgk der Ort Schleiz überregional unbekannt ist, obwohl er auf der Autobahn A9 eine eigene Ausfahrt besitzt.
Drei bis viermal am Tag fahren meist zweimal im Monat jeweils samstags die Uerdinger Schienenbusse aus den 1950er Jahren auf der idyllischen Strecke, die von der Deutschen Regionaleisenbahn (DRE) gepachtet wurde. Jeder einzelne Zug muss, auch wenn kein Gegenverkehr zu erwarten ist, in Kommunikation mit dem Fahrdienstleiter in Pretsch an der Elbe (Sachsen-Anhalt) stehen, der auch andere Nebenbahnen beaufsichtigt, die nicht von der Deutschen Bahn betrieben werden.
Die Rangierfahrt in den Lokschuppen wurde mir am Fahrtende kurz vor Schleiz auch gezeigt. Ich staubte anschließend die letzte Frikadelle ab und schwang mich bei angenehmen Temperaturen aufs Rad. Dafür brauchte ich gutes Kartenmaterial, da ein lückenloser Radweg zum Startpunkt nicht ausgeschildert ist. Das konnte ich auch nicht erwarten. Hauptsache, ich machte mir ein schönes Bild von der Landschaft. Manchmal sind es 2-3 Aufnahmen, die in Erinnerung bleiben. Im Nachhinein muss ich sagen, dass die Strecke Schleiz-Schönberg am besten wandernd in ca. 3-4 Stunden zurückgelegt werden kann. Es rollt sich einfach nicht so gut im recht langen Waldstück zwischen Oberböhmsdorf und Mühltroff. Wer auf den Europäischen Bergwanderweg (EB) gerät, der ist ganz sicher gut unterwegs. Auf der Karte ist die „Alte Mühltroffer Straße“ zur Orientierung gut. Ein malerischer Ausblick zwischen Wald, Feld und Gewässer steht für die Freude, das Abendlicht von seiner schönsten Seite zu erwischen:
Nachdem die Fahrt es am späteren Nachmittag losging, fühlte es sich geradezu kurzweilig an, wieder gegen 20 Uhr zurück am Auto in Schönberg anzukommen. Das Abendlicht ist an langen Sommertagen besonders wertvoll, weil es so lange vorherrscht und man gerade bei Sonnenschein noch mehr die Ruhe der Region genießen kann. Zudem ist es ein zusätzlicher Luxus, dass das Auto unweit des Bahnhofsganz ohne Fahrplan auf mich wartet. Und auch die Rückfahrt hielt noch die eine oder andere Entdeckung bereit….