„Jede Geschichte beginnt mit einem Yes.“ Mit diesem Slogan thematisiert die Lufthansa sehr schön Storytelling, das wohl jedes Traditionsunternehmen gewinnbringend einsetzen kann.  Das Filmmaterial– alles andere als ein aalglattes Imagevideo – konnte ich sogar für eine Klausur in diesem Wintersemester verwenden.

Es werden die Abenteurer, die Romantiker, die Sportler, die Künstler und auch Kinder in familiärer Obhut in zweieinhalb Minuten angesprochen. Ohne Kitsch, weil eben nicht das Dauer-Lachen von Fahrgästen gezeigt wird, sondern Entscheidungsmomente oder nervenaufreibende Augenblicke.   Das „Ja“ wird als Zustimmung muss nicht unbedingt positive Emotionen auslösen, gerade wenn es um das Loslassen, den „Neustart“ geht, und zwar nicht nur auf Beziehungsebene. Die Bejahung eines Schritts zeugt von einem gewissen Handlungswillen. Und genau da kann eine Fluggesellschaft ansetzen. Die meisten Reisen finden in unseren Breiten freiwillig statt. Und nach dem Ende der Covid-Pandemie ist die Reiselust (wieder) ungebrochen, auch um Verpasstes nachzuholen. Doch gibt es globalisierungskritische Tendenzen, die dem Flugverkehr nicht in die Karten spielen. Insofern setzt der Film auch klare Zeichen: Es wird mit wenigen Worten auf Deutsch und Englisch (mit deutschen Untertiteln) das Wörtchen „Ja“ / „Yes“ in den Vordergrund gestellt, und zu diesem Ja-Sagen gesellt sich nicht selten eine Reiseaktivität.

Besonders ist, dass in diesem Film keine Geschichte so richtig erzählt, sondern eher angedeutet wird. Auch wird kein Inhalt stark personifiziert, was im Zeitalter des Influencer-Marketing bemerkenswert ist. Statt Personennamen werden die Codes von Sitzplätzen einzelnen handelnden Personen zugordnet, was auch ein geschickter Schachzug ist: Denn gerade im Kontext eines Flugs bleiben eher bestimmte Typen in Erinnerung und weniger das Individuum mit seiner eigenen Geschichte.

Die Klammer in diesem Unternehmensfilm bilden zwei Fahrgäste, die in Comic-Form die Storyline erstellen. Sie werden auch als Erzähler eingesetzt und am Schluss gezeigt:

Lufthansa-Unternehmensfilm
Kreative Storyline im Content-Marketing-Film der Lufthansa (Screenshot bei 2min16sek)

Die Beschreibung wird also medial auf zwei unterschiedlichen Kanälen vorgenommen: Einmal in Form einzelner, sehr kurzer Videosequenzen, und einmal in aufgezeichneter Form auf Papier.

Der Sitz 10 A steht für den Sprung in die filmisch-literarische Kunstwelt, von der zu Anfang des Films die Rede war, als die auf diesen Sitz gebuchte Passagierin im Flugzeug zu einem Casting (oder einem Vorstellungsgespräch) anreiste. Auf der Homepage, unterhalb des eingebetteten Youtube-Videos,  heißt es dazu:

Die Welt, meine Bühne. Yes! (…) Ob Sie selbst von den Brettern, die die Welt bedeuten, träumen oder auf den Spuren filmischer Legenden wandeln möchten: Machen Sie sich startklar – die ganze Welt ist Ihre Bühne.

Mit einem Klick auf den Button „Zum Film. Yes“ werden dazu passende Reiseziele vorgeschlagen: Dubrovnik, Boston, Tunis, Oslo, London, Malta. Bühnenreife Orte also, zum Beispiel: „Kaum eine Stadt ist so sehr mit berühmten Fantasy-Serien verbunden wie Dubrovnik.“

Der klassische Städtetourismus wird hier nicht mit realen Sehenswürdigkeiten beworben, sondern mit der Kulissenhaftigkeit, derer sich die Filmindustrie bedient. Man soll also die Orte aufsuchen, die bereits in einem fiktionalen Produkt enthalten sind. Die vor Ort gelebte Kultur mit all ihren Besonderheiten erscheint weniger relevant als der Rahmen, der für mehr Emotionen sorgen kann als die Essenz des Reiseziels, die gerade bei Kurztrips sowieso kaum erspürt werden kann. Es geht mehr um die persönliche „Storyline“ des Reisenden, die auf Social-Media-Kanälen über geschickt gepostete Bilder auch gut dargestellt werden kann.

Der Film ist zusammen mit dem Textmaterial ein hervorragendes Beispiel für Reisemotivationen des 21. Jahrhunderts. Die Flugziele sind natürlich konkret, doch bewusst vage gehalten sind Personen und Orte. Zuschreibungen zu Personen und Orten füllen die Fantasie des potenziellen Fluggastes.   

Wer wird bei dieser Auswahl nicht mindestens ein Ziel finden, an welches man gerne einmal mit einem Lufthansa-Flug schweifen möchte?

Der Film lässt sich hier anschauen.